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Informationen zum Leben von Wojciech Jastrzebowski, dem "Urvater" der Ergonomie

Verwendete Quelle:

Banka, J.: Leben und Werke von Wojciech Jastrzebowski (in polnischer Sprache), Ergonomia 1997, 20, 2, 183-187

Dort werden als weitere Quellen genannt:

Bielinski J.: Königliche Warschauer Universität (1816-1831),Warschau 1991, Band III, S. 191
Kosiek, Z.: Polnisches Bibliographisches Wörterbuch, 1964 Band XI, Heft 48, S. 74
Syska, H.: Wojciech Bogumil Jastrzebowski, Warschau 1954

Weitere Informationen stammen von
Schlager, F. persönliche Mitteilung, 1998
-> Franz.Schlager@sbg.ac.at

Die Übersetzungen ins Deutsche und ergänzende Erläuterungen stammen von Dr. Karl Sowa.

Wojciech Jastrzebowski wurde am 19.04.1799 (nach Bielinski könnte auch 1798 das Geburtsjahr gewesen sein) in Gierwaty (an der Quelle des Flusses Orzyca, im Kreis Mlawa etwa 50 bis 80 km nordöstlich von Warschau) geboren. Wojciech war einer von mehreren Söhnen einer "verbauerten" Familie (Banka), der Vater starb mit 45 Jahre.

Wojciech hat seinen Vater wahrscheinlich nicht mehr gekannt; er erwähnt nur seine Mutter Marianne Lesnikowski; eine einfache Frau, ohne Beruf und Ausbildung. Sie starb als er 9 Jahre alt war.

Um den kleinen Wojtek (Verkleinerung von Wojciech) kümmerte sich sein Bruder Stanislaw und schickte ihn zur Elementarschule nach Janow. Diese Schule wurde von der nationalen "Edukationskommission" unterhalten, und im Jahre 1807, nachdem das Warschauer Königtum gebildet wurde, durch das Ministerium für Allgemeine Bildung übernommen (wörtlich: Ministerium der Volkserleuchtung); später ging er noch in die Bezirksschule in Plock.

Jastrzebowski wurde noch als Schüler in die Armee des Prinzen Josef Poniatowski geworben, musste aber Nachhilfestunden erteilen, um sich Geld für Lebensunterhalt zu verdienen. Von seinem Freund Josef Grajnert (später Redakteur der Zeitung "Zorza" = "Morgenrot") wird beschrieben, dass er in einem gemieteten Zimmer "mitten im Getöse einer handwerklichen Familie" lebte und lernte.

Er hat unter diesen Bedingungen die Bezirksschule in Plock beendet und begann im Jahr 1816 eine weitere Ausbildung am Lyzeum (eine höheren staatlichen Schule in Warschau - entspricht heute einem Gymnasium). Es war ihm jedoch nicht möglich, das Schulgeld aufzubringen und eine Erkrankung zwang ihn schließlich, die Schule abzubrechen. Grajnert berichtet weiter, dass Jastrzebowski, nachdem er die Schule aufgeben musste, höchstwahrscheinlich in Warschau weiter in Armut lebte. Aus erhaltenen Dokumenten wird weiter gefolgert (Banka), dass er im Dezember 1820 nach langen Bemühungen in die Fakultät für Bauwesen und Vermessung der Warschauer Universität aufgenommen wurde. Das würde bedeuten, dass er Lücken in der schulischen Ausbildung bis zur der Hochschulreife ausgleichen konnte.

Ab 1828 überwiegen beim jungem Jastrzebowski die botanischen Interessen. Er schreibt sich in die philosophische Fakultät ein, Abteilung Naturgeschichte und nimmt an wissenschaftlichen Exkursionen des Professors Szubert teil. Von diesen Exkursionen bringt er tausende Pflanzen mit und bereichert mit diesen den Warschauer Botanischen Garten, der damals in Europa recht berühmt war.

1828 wird von einem Gerät berichtet, das als "Kompass des Jastrzebowski", bezeichnet wird (Banka: Fußnote 3). Wahrscheinlich verhilft ihm diese Erfindung zur Aufnahme in die seinerzeit berühmteste polnische wissenschaftliche Vereinigung, die Warschauer "Gesellschaft der Freunde der Wissenschaft".

Die wissenschaftlichen Arbeiten wurde aber auch durch Unruhen unterbrochen. Mit Freunden kämpft er in einer patriotischen Befreiungsarmee bei Olszynka Grochowska (November 1830?). Aus dieser Zeit stammen Überlegungen zu einem Projekt "Liga der Nationen", das unter dem Titel "Freie Augenblicke des polnischen Soldates oder der Gedanke vom ewigen Frieden zwischen den zivilisierten Nationen", publiziert wurde (Banka Fußnote 5).

Nach der Regierungsübernahme durch den Führer der Zarenarmee und künftigen Verwalter des Polnischen Königtums, Prinz Paszkiewicz, konnte Jastrzebowski keine dauerhafte Beschäftigung finden. Er blieb allerdings von den Massenverhaftungen verschont.

Ohne Einspruch durch die staatliche Verwaltung wurde er 1836 zum Professor der Botanik, Physik, Zoologie und Gartenkunde am Institut für Landwirtschafts- und Forstkunde in Marymont berufen. Im selben Jahr nahm er die Arbeit auf und bald darauf wurden die Marymont-Gärten zu einem Reservat für auserwählte Zier- und Nutzsträuchern und Bäumen. Der Bestand des Garten wurde immer reichhaltiger, nachdem auch er wissenschaftliche Exkursionen mit seinen Studenten unternahm. Ein Ergebnis der wissenschaftlichen Reisen ist die Publikation "Vorhersage des Wetters, Regens, Windes und anderen Änderungen der Luft" (1847), die erste meteorologische Arbeit in der polnischen Literatur, die sich überwiegend auf die Volkserfahrung und auf eigene Beobachtungen des Autors stützte. Diese Arbeit erschien als "Bauernmeteorologie" auch auf Russisch.

Die "Stychologie" beschreibt die damals bekannten chemischen Elemente und deren Nützlichkeit. Als Ergänzung dieser "Stychologie" erscheint 1852 in Warschau die "Mineralogie". Die "Mineralogie" widmete er seinem Freund Michal Oczapowski, dem langjährige Direktor der Marymont-Akademie.

Der Tod von Oczapowski 1854 wurde für die weitere Entwicklung Jastrzebowski sehr bedeutsam, denn der nächste Direktor des Institutes in Marymont wurde Professor Zdzitowiecki, ein durch seine Bücher und Handbücher auch im Ausland bekannter Chemiker. Zdzitowiecki legte die Schwerpunkte auf die Verbindung zwischen Chemie und der Agrarwissenschaft entsprechend dem Trend der damaligen Wissenschaft. Der von Jastrzebowski häufig verwendete Untertitel "Zur Anwendung für den Gebrauch des täglichen, praktischen Lebens" zeigt aber vor allem das Interesse an einer fruchtbaren Verbindung der Möglichkeiten der Wissenschaft mit den Bedürfnissen der (nationalen) Wirtschaft. Damit erklärt sich aus heutiger Sicht der programmatische Tenor der 1857 in der Wochenzeitschrift "Natur und Industrie" erschienene, umfangreichen Publikation "Grundriß der Ergonomie, Wissenschaft oder Lehre von der Arbeit".

(Schlager [s.o.] vermutet, dass es sich dabei um eine Neuauflage eines bereits 1846 erschienen Artikels handelt, in dem allerdings anstatt des Begriffes "Ergonomie" der Ausdruck "Anankonomie" verwendet wird).

Immer häufigere Auseinandersetzungen mit Zdzitowiecki führen schließlich dazu, dass Jastrzebowski 1858, die Akademie in Marymont nach 20 Jahren enttäuscht verlässt.

Danach wird er Inspektor der Bezirksschulen in Warschau. Diese neue Aufgabe bleibt unbefriedigend. Seine Sammlungen werden vernachlässigt, seine wissenschaftlichen Reisen müssen eingestellt werden. Später bot ihm dann sein ehemaliger Schüler Hollak eine Stelle als Inspektor der Beforstung von Dünen in Czerwony Bor an. In diesem Projekt war auch die Einrichtung eines Zentrums zur Weiterbildung für junge Mitarbeiter im Forstwesen geplant, deshalb nahm Jastrzebowski das Angebot mit Interesse an.

Der neue Arbeitsplatz war im Gebiet von Feliksowka, an der Mündung von 2 kleinen Flüssen, Grzybowka und Brok. Hier wurde dann tatsächlich ein Internat für Studenten errichtet und Räumlichkeiten für Geräte, Bibliothek und naturwissenschaftliche Labors zur Verfügung gestellt. Die wissenschaftliche Arbeit und die Exkursionen konnten wieder aufgenommen werden.

Dem Januaraufstand 1863 schlossen sich dann über 60 seiner Schüler an darunter auch seine Söhne Wladyslaw und Ludomil. Die reichen Sammlungen von Pflanzen in Feliksowka wahrscheinlich auch wissenschaftliche Aufzeichnungen werden während des Aufstandes zerstört. Nur einem Zufall ist es zu verdanken, dass eine gleichwertige Sammlung in Klemensow unter Obhut von Graf Zamoyski gerettet werden konnte. Diese Sammlung hat noch viele Jahre überstanden.

Der erste Wissenschaftler, der diese Sammlung dann nutzte, war der bekannte Botaniker der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Joseph Rostafinski, der im Jahr 1872 in Wien das berühmte "Florae Polonicae Prodromus" herausgegeben hatte. Das "Prodromus" von Rostafinski kann auch als das wissenschaftliche Testament von Jastrzebowski verstanden werden, dem wegen der pädagogischen Pflichten "die Zeit für die wissenschaftliche, diesmal theoretische Krönung langjähriger Bemühungen des fleißigen Sammelns fehlte".

Verkannt und verbittert, beginnt für Jastrzebowski ohne jegliche materielle Absicherung der letzte Lebensabschnitt. Er nimmt das Angebot der Wiener-Warschauer-Bahngesellschaft zur Bepflanzung von Hecken auf Bahnhöfen und Haltestellen an. Reiche Landbesitzern nutzen die Naivität und herzliche Ehrlichkeit des arbeitslosen Professors aus.

Seit Herbst 1879 wird Jastrzebowski bettlägerig, er stirbt am 30. Dezember 1882. Sein Grab befindet sich auf dem Powazki Friedhof in Warschau (heute Ehrenfriedhof).

 


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